Wasserstoffenergie: Treibstoff der Zukunft

Neben der verstärkten Entwicklung neuer Materialien, innovativer Medikamente und anderer Spitzentechnologien setzt China bei seiner Suche nach sauberer, sicherer und effizienter Energie für Industrie und Verkehr auch zunehmend auf Wasserstoff. Das hat unter anderem auch der jüngste Tätigkeitsbericht der Regierung noch einmal unterstrichen. Als saubere, sichere und effiziente Energiequelle für Industrie und Transportwesen ist Wasserstoff ein attraktiver Treibstoff mit großem Zukunftspotenzial.

Aufbau eines Wasserstoff-Ökosystems

„Mit den Produktivkräften neuer Qualität sind letztlich grüne Produktivkräfte gemeint“, erklärt uns Zhang Guoqiang, Präsident der Beijing Yihuatong Technology Co. (SinoHytec) im Interview. Chinas erster Leitfaden zur Beschleunigung der grünen Transformation der verarbeitenden Industrie, der am 1. März dieses Jahres veröffentlicht wurde, nimmt insbesondere die Energiewende und den industriellen Wandel im Rahmen der Verwirklichung von Chinas dualen Kohlenstoffzielen in den Blick. China hat angekündigt, den Höhepunkt seiner Kohlenstoffemissionen bis 2030 und Kohlenstoffneutralität bis 2060 erreichen zu wollen. Nun schickt sich das Land an, eine komplette Industriekette für Technologien und Ausrüstungen zur Herstellung, Speicherung, zum Transport und zur Anwendung von Wasserstoff aufzubauen. Das soll die wirtschaftliche Effizienz in diesem Sektor verbessern.

„Wasserstoff gilt als einer der wichtigsten Träger der neuen Runde der globalen Energiewende“, sagt Unternehmer Zhang. Es handele sich um eine Schlüsselrichtung für strategisch aufstrebende Industrien. „Wasserstoff ist für die Förderung der grünen Energiewende, die Modernisierung der Industrie und die Schaffung neuer Produktivkräfte von immenser Bedeutung“, sagt er.

Wichtige Länder weltweit hätten bereits nationale Wasserstoffstrategien formuliert und investierten nun verstärkt in die Erforschung und Entwicklung sowie die industrielle Anwendung von Spitzentechnologien in diesem Bereich. Laut den Hydrogen Insights 2023, ein vom Hydrogen Council mit Sitz in Belgien und McKinsey & Company veröffentlichter Bericht, nimmt die Entwicklung der globalen Wasserstoffwirtschaft derzeit rasant Fahrt auf. Bis 2030 dürften die Direktinvestitionen in Wasserstoff-Energie 320 Milliarden US-Dollar erreichen, so die Prognosen. Etwa die Hälfte der durch diese Investitionen finanzierten Projekte wird sich wohl auf den industriellen Einsatz von Wasserstoff-Energie im großen Stil beziehen, etwa 20 Prozent der Geldmittel dürften in die Verkehrswende fließen. Weltweit gibt es derzeit gerade einmal rund 1000 Wasserstofftankstellen.

„SinoHytec ist ein chinesisches Hightech-Unternehmen, das sich auf die Erforschung und Entwicklung sowie die Industrialisierung von Wasserstoff und Brennstoffzellen konzentriert“, erklärt uns Zhang. Die beiden Hauptgeschäftsfelder seines Unternehmens seien also Wasserstoff und Brennstoffzellen für den Transport zu Land. Schon heute steckten Produkte von SinoHytec in über 4900 Fahrzeugen, verrät er uns. Die Gesamtlaufleistung liege bei mehr als 200 Millionen Kilometern. Seine Firma hält seit sieben Jahren in Folge den größten Marktanteil in China.

Ein gutes Beispiel, in welche Richtung die Entwicklung sich bewege, sei Hebei, so der Visionär. Die nordchinesische Provinz habe sich zu einem wichtigen Akteur in der Branche gemausert. Im vergangenen Jahr hat Hebei einen Aktionsplan zur Förderung neuer Energien sowie sieben Sonderpläne zur Förderung der grünen und kohlenstoffarmen Energiewende herausgegeben, mit dem Ziel, ein integriertes System für die Erzeugung und Speicherung von Wind-, Solar-, Wasser-, Kohle-, Kern- und Wasserstoffenergie zu schaffen. Bis 2023 hat man ein System für technologische Forschung und Entwicklung, Inspektion und Prüfung geschaffen, das die gesamte Kette der Wasserstoffindustrie abdeckt. Kerntechnologien wie die Reinigung von Wasserstoff aus industriellen Nebenprodukten werden in Bereichen wie Verkehr, Energiespeicherung, Elektrizität, Stahl- und Chemieindustrie sowie Kommunikationsbasisstationen gefördert.

„SinoHytec hat in der Stadt Zhangjiakou in Hebei ein Wasserstoff-Ökosystem geschaffen und die erste Anlage in China gebaut, die Wasserstoff aus erneuerbaren Quellen produziert. Hier befindet sich zudem die erste Wasserstofftankstelle. Während der Olympischen Winterspiele 2022 in Beijing sorgten gut 700 mit Produkten von SinoHytec ausgestattete Brennstoffzellenfahrzeuge für den Transport von Athleten und Besuchern“, berichtet Zhang stolz. Gegenwärtig zähle man bereits 35 Wasserstoffunternehmen in Zhangjiakou. Man verfüge vor Ort über eine komplette Industriekette für Wasserstoffindustrie, so der Entrepreneur.

Durchbruch bei grünem Wasserstoff

Die chemische Industrie ist ein weiteres wichtiges Anwendungsfeld für grünen Wasserstoff als Energieträger. Xu Zixia, Chefingenieurin der China National Chemical Engineering No. 13 Construction Co., Ltd, betont, dass die Chemieindustrie traditionell sehr energie- und emissionsintensiv sei. Es handle sich daher um eine der acht Schlüsselindustrien des nationalen Kohlenstoffmarktes. „Die chemische Industrie muss dringend technologisch und industriell aufrüsten, um die Transformation zu beschleunigen und das nationale Ziel der Kohlenstoffreduzierung zu erreichen“, sagt Xu. 2022 habe Chinas Chemieindustrie rund 1,52 Milliarden Tonnen Kohlenstoffemissionen verursacht und sei damit für fast 15 Prozent der Gesamtemissionen des Landes verantwortlich gewesen.

Fakt ist: Die Chemieindustrie formt eine der Säulen der chinesischen Volkswirtschaft mit großer Wirtschaftsleistung, einer langen Industriekette, einer Vielzahl von Produkten und einer breiten Abdeckung. „Sie ist der Schlüssel zur Sicherheit und Stabilität von Chinas Industrie- und Lieferketten und essentiell für die grüne und kohlenstoffarme Entwicklung und das Wohlergehen der Menschen in unserem Land“, sagt Xu.

Wasserstoff sei eben ein wichtiger Bestandteil der Produktion in der Chemieindustrie. „Durch die Verwendung von grünem Wasserstoff, gewonnen durch Wasserelektrolyse, können wir eine Kohlenstoffreduzierung an der Quelle, während des Prozesses und am Ende der Produktion erreichen“, betont Xu. Experten schätzen, dass 10.000 Tonnen grüner Wasserstoff die Kohlendioxidemissionen um mehr als 100.000 Tonnen reduzieren könnten.

Grüner Wasserstoff meint Wasserstoff, der durch Elektrolyse unter Verwendung erneuerbarer Energiequellen wie Wind-, Wasser-, Sonnen- und Kernkraft erzeugt wird, ohne dass dabei Kohlenstoffemissionen entstehen. Hebei beispielsweise verfügt über große Mengen an erneuerbaren Energieressourcen und Wasserstoffressourcen aus industriellen Nebenprodukten, die zur Entwicklung von Wasserstoff-Energie genutzt werden können. Zhangjiakou, Chengde und die Regionen entlang des Taihang-Gebirges in Hebei verfügen über reichlich erneuerbare Energiequellen wie Wind- und Sonnenenergie, was wiederum reichliche Ressourcen an grünem Wasserstoff bedeutet.

Grünem Wasserstoff in der Chemieindustrie wird auf nationaler Ebene hohe Priorität eingeräumt. Im April 2022 gab die Regierung einen Leitfaden für die hochwertige Entwicklung der petrochemischen und chemischen Industrie heraus, der Unternehmen beider Sektoren auffordert, den örtlichen Gegebenheiten entsprechend sowie in angemessener und geordneter Weise grünen Wasserstoff zu produzieren und zu nutzen. Zudem ruft das Papier dazu auf, die Kopplung von Raffinerie- und Kohlechemieindustrie mit grünem Strom und grünem Wasserstoff zu fördern.

Wichtige Unternehmen und Projekte haben bereits mit der Nutzung von Wasserstoff-Energie begonnen. Im Juni 2023 ging das erste 10.000-Tonnen-Wasserstoffproduktionsprojekt in China – das Demonstrationsprojekt für Photovoltaik-Wasserstoffproduktion in Narisong im Jung-Gar-Banner in Ordos in der Inneren Mongolei – in Betrieb. Zwei Monate später folgte der Startschuss für Chinas größtes Photovoltaik-Projekt für grünen Wasserstoff – das Demonstrationsprojekt in Kuqa in Xinjiang. „Diese beiden Projekte markieren wichtige Durchbrüche bei Chinas breiter industrieller Anwendung von grünem Wasserstoff“, sagt Xu.

Wasserstoff aus Meerwasser

Wasserstoff aus Meerwasser ist ebenfalls ein wichtiges Feld mit Zukunftspotenzial für die Wasserstoffindustrie. Bei der Wasserelektrolyse werden erneuerbare Energien wie Offshore-Windenergie, Sonnen- und Gezeitenenergie in großem Stil für die Produktion von grünem Wasserstoff genutzt. „Für die Speicherung und den Transport von Hochdruckwasserstoff, flüssigem Wasserstoff und metallischem Wasserstoff mit hoher Dichte sind fortschrittliche Technologien erforderlich“, weiß Guo Jianzeng, Direktor des Wissenschafts- und Technologieausschusses des Forschungsinstituts Nummer 718 der China Shipbuilding Industry Corporation. Sie ermöglichen nicht nur Produktion, Speicherung und Transport in großem Maßstab, sondern tragen auch zur Kostensenkung bei. Der erzeugte Wasserstoff könne in vielen Bereichen eingesetzt werden – in der Industrie, im Verkehr und im Energiesektor sowie im Bauwesen an Land und auf See.

Guo verweist auf die zahlreichen Vorteile einer hochwertigen Entwicklung der maritimen Wasserstoffindustrie. Sie sei ein effektiver Weg, um die Ziele des Kohlenstoff-Emissionszenits und der Kohlenstoffneutralität zum geplanten Zeitpunkt zu erreichen. Auch steigere sie den Verbrauch von erneuerbaren Offshore-Energien. „Außerdem erfüllt die maritime Wasserstoffindustrie die internationalen Anforderungen an eine grüne Schifffahrt. Und nicht zuletzt ist sie von entscheidender Bedeutung für die Verfügbarkeit von unabhängigen und kontrollierbaren Technologien und Ausrüstungen in der gesamten Wasserstoffindustriekette“, sagt der Experte.

„Wasserstoff aus Meerwasser beansprucht keine Landfläche und zeichnet sich durch weite Verbreitung, großes Entwicklungspotenzial, nachhaltige Nutzungsmöglichkeiten, Umweltfreundlichkeit und Sauberkeit aus. Damit wird diese Form des Wasserstoffs zu einem wichtigen Bestandteil der globalen Energiewende sowie zu einem Highlight der internationalen Energieentwicklung“, sagt Guo. Wasserstoff tauge auch für groß angelegte Energiespeicherung und die Absicherung von Stromspitzen, wodurch sich zentrale Herausforderungen angehen ließen, so etwa die langfristige und groß angelegte Energiespeicherung, eine Erhöhung der Flexibilität des Stromsystems und die Steigerung des Anteils erneuerbarer Energien, so der Experte.

Darüber hinaus sei Wasserstoff ein wirksames Zwischenprodukt für die Herstellung grüner und sauberer Kraftstoffe für Schiffe, die die Dekarbonisierungsstandards erfüllten. Es gibt verschiedene Formen des Wasserstoffverbrauchs, wie die Zugabe von Kohlenstoff, Sauerstoff oder Stickstoff zu Wasserstoff, um Ammoniak und Methanol zu erzeugen, die als alternative Kraftstoffe für die Schifffahrtsindustrie taugen. „So ließe sich eine Dekarbonisierung im großen Maßstab erreichen“, sagt Guo.

Er erklärt: „Maritime Wasserstoff-Energie umfasst zahlreiche Produkte in Herstellung, Lagerung, Transport und Anwendung. Sie ist somit ein entscheidender Bestandteil der strategischen Kette aufstrebender Industrien in China, zugleich auch ein Schlüsselfeld in Chinas High-End-Anlagenfertigungsindustrie.“